Bürgermeister der an der S 4 gelegenen Kommunen fordern Verbesserungen – auch ohne eine zweite Stammstrecke
Von Peter Bierl und Gerhard Eisenkolb
Fürstenfeldbruck
– Die Bürgermeister
der Kommunen entlang der S 4 fordern
sofortige „erhebliche“ Verbesserungen
auch ohne zweite Stammstrecke in Mün-
chen. „Wir brauchen ein Konzept und
kein Gewurstel“, mahnte der Brucker
Oberbürgermeister Sepp Kellerer (CSU)
auf einer Pressekonferenz im Rathaus
Fürstenfeldbruck. Vor allem der Eng-
pass zwischen Pasing und Eichenau müs-
se beseitigt werden, verlangte sein Puch-
heimer Amtskollege Herbert Kränzlein
(SPD). Landrat Thomas Karmasin will
heute als Sprecher der MVV-Landräte
den Ministerpräsidenten Horst Seehofer
(CSU) dazu bewegen, an der zweiten
S-Bahnröhre in München festzuhalten.
Die fünf Bürgermeister sind sich einig,
dass schnell etwas passieren muss. Neue
Stellwerke, neue Weichen und Signale,
mehr Langzüge und genügend Sitzplätze
fordert Hubert Jung (CSU) aus Eichen-
au. „Entscheidend sind kleine Verbesse-
rungen“, stimmte Hartwig Hagenguth
(Bürger für Grafrath) zu. Kränzlein erin-
nerte daran, dass der Großraum Mün-
chen mit drei Millionen Einwohnern bis
2027 um weitere rund 250 000 Menschen
wachsen soll. Weil die Kapazitäten der
S-Bahn „am Ende“ seien, werde das zu ei-
nem enormen Zuwachs des Autover-
kehrs führen. Die S 4 sei im Westen die
am stärksten frequentierte Linie. Auch
Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) ha-
be Verbesserungen als notwendig be-
zeichnet. Auf Initiative Kränzleins ver-
sucht die Bürgermeister-Gruppe seit Jah-
ren im Kontakt mit dem bayerischen Ver-
kehrsministerium und der Bahn AG ei-
nen Ausbau der Strecke sowie behinder-
tengerechte Bahnhöfe zu erreichen. „Viel-
leicht müssen wir eine Schienenblockade
machen“, meinte der Brucker OB sarkas-
tisch. Über die Notwendigkeit des zwei-
ten Tunnels sind sich die Bürgermeister
nicht einig. Der Emmeringer Bürgermeis-
ter Michael Schanderl (FW), Jung und
Kränzlein halten die Röhre für notwen-
dig. Dass der Freistaat Bayern als hochge-
lobter Hightech-Standort das Projekt
nicht stemme, sei „beschämend und bla-
mabel“, rügte Schanderl.
Kellerer ist Tunnel-Skeptiker und deu-
tet die Absage des Ministerpräsidenten
als Indiz dafür, dass die bisher angegebe-
nen Kosten von zwei Milliarden Euro
deutlich überstiegen würden. „Deswe-
gen versucht man jetzt auszusteigen.“ Ha-
genguth erinnerte daran, dass bis 2005
keine Rede davon war, dass der viergleisi-
ge Ausbau der S 4 bis Buchenau von dem
Tunnelprojekt abhängig sei. Diese Ver-
bindung sei nachträglich konstruiert
worden. Die Kapazitäten seien auch
nicht ausgeschöpft, solange im Berufsver-
kehr Voll- statt Langzüge verkehren.
Während Jung und Schanderl fordern,
die Stadt München solle sich am Tunnel-
projekt finanziell beteiligen, lehnt Kränz-
lein dies ab. „Jedes Bahnhofsklo und je-
de Bahnsteigkante wird auf die Kommu-
nen geschoben, dabei ist die Verantwort-
lichkeit klar. Der Freistaat soll gefälligst
seine Verpflichtungen erfüllen.“
Landrat Thomas Karmasin erneuerte
am Montag seine Kritik an Seehofer, der
das Aus für die zweite Röhre verkündet
hatte. „Wir sind der Auffassung, dass
man eine Sache von solcher Tragweite
mit dem Umland hätte abstimmen sol-
len“, sagte der CSU-Politiker. Gemein-
sam mit seinen Kollegen aus den MVV-
Landkreisen, deren Sprecher er ist, setzt
sich Karmasin nun dafür ein, dass zumin-
dest an der Planung für den zweiten
S-Bahntunnel weitergearbeitet wird. Da-
zu wollten die Landräte am Montag ein
Positionspapier ausarbeiten, das dem Mi-
nisterpräsidenten überreicht wird. Der
Kreisausschuss bekräftigte am Nachmit-
tag mit breiter Mehrheit die bisherigen
Beschlüsse des Kreistages, zur Ertüchti-
gung der S-Bahn die zweite Stammstre-
cke zügig zu verwirklichen. (München)
Süddeutsche Zeitung, 24.4.2012