München – Das offizielle Aus für die zweite S-Bahn-Stammstrecke ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Doch was kommt danach? Die Suche nach Alternativen hat bereits begonnen. Neu sind sie nicht.

Solange die zweite Stammstrecke favorisiert wurde, vermoderten Alternativ-Konzepte in der Schublade. Nun dürften sie wieder auf den Prüfstand kommen.
Die Geschichte der zweiten S-Bahn-Stammstrecke ist eine lange. Bereits 2001 hatten sich die Stadt München, der Freistaat und die Deutsche Bahn gemeinsam für den Bau eines zweiten S-Bahn-Tunnels entschieden. In einem Gutachten waren die Kosten damals noch mit rund 583 Millionen Euro beziffert worden. Mittlerweile hat sich die Summe fast vervierfacht. Auf rund zwei Milliarden Euro wird das Projekt nun geschätzt. Derzeit aber ist nicht davon auszugehen, dass das Geld dafür da ist.
Mehrfach waren in all den Jahren auch Alternativen diskutiert worden – insbesondere der Bahn-Südring. Der aber fiel mehrfach in Gutachten gegen den zweiten Tunnel durch. Ebenso der schnelle Bau einer Express-S-Bahn zum Flughafen oder die Vision eines Nordtunnels. Auch die Stadt München zeigte keine besonderen Ambitionen, die U-Bahn-Linie U 5 von Laim nach Pasing zu verlängern, die so im Störfall die S-Bahn entlasten könnte. Nach dem Scheitern der zweiten Stammstrecke werden aber diese Ideen bald wieder auf den Tisch kommen.
Der Südring – jetzt Südstrecke genannt
S-Bahnen statt durch einen zweiten Stammstrecken-Tunnel über den Bahn-Südring fahren zu lassen, galt lange als Alternative zur Röhre. Die Idee aber wurde zweimal verworfen, 2001 und 2009. Zweimal hatte die Staatsregierung da die beiden Projekte in Gutachten verglichen. Beide Male fiel der Südring durch. 2009 etwa kalkulierten die Gutachter des Verkehrsministeriums die Kosten für einen Vollausbau mit 1,3 Milliarden Euro. Kritiker nannten die Zahl völlig übertrieben. Jetzt wird die Idee jedoch wieder aufleben – aber wohl unter anderem Namen. Die Münchner CSU hat zusammen mit der Staatsregierung bereits an einem Konzept gefeilt und nennt den Südring nun Südstrecke. Auf der sollen bis zu zwei S-Bahnlinien im Regelverkehr zum Ostbahnhof fahren und dort enden. Ein kompletter Ausbau des Südrings ist nicht geplant. Allerdings sollen die Bahnhöfe Heimeranplatz und Poccistraße umgebaut werden, um so Umsteigemöglichkeiten zur U-Bahn zur ermöglichen. Die Grünen liebäugeln schon lange mit der Idee, auf dem Südring auch S-Bahnen fahren zu lassen. „Jetzt ist die Zeit gekommen, sich das noch einmal anzuschauen“, meint Verkehrsexperte und Stadtrat Paul Bickelbacher.
Die Verlängerung der U 5 nach Pasing
Das Ziel, die U-Bahn der Linie U 5 bis nach Pasing zu verlängern, existiert schon so lange, wie es die U-Bahn in München gibt. Die Stadt aber zeigte sich zögerlich – und wartete lieber ab, ob der Freistaat und die Bahn die zweite S-Bahn-Stammstrecke hinbekommen. Die kostet die Stadt nichts, die U-Bahn-Verlängerung schon. Die CSU im Rathaus forderte den Ausbau der West-Ost-Verbindung schon lange. Nun steigen die Chancen, dass das Vorhaben doch noch realisiert wird. Rund 3,5 Kilometer lang wäre die Verlängerung von Laim nach Pasing. Wie viel sie kostet, ist unklar. Nimmt man andere U-Bahnen zum Vergleich, scheinen rund 350 Millionen Euro realistisch. Bund und Freistaat würden wohl gut die Hälfte davon übernehmen. „Die U 5 ist das A und O des Konzepts“, sagt CSU-Verkehrsexperte Georg Kronawitter. Machbar sei das Vorhaben aber wohl nur mit einem oberirdischen – und damit günstigeren – Bahnhof in Pasing. „Das erfordert natürlich das Entgegenkommen der Bahn“, erklärt Kronawitter. Auch OB-Bewerberin Sabine Nallinger (Grüne) spricht sich dafür aus, den Nutzen einer U 5-Verlängerung nochmals zu prüfen. Nach dem Aus der Stammstrecke könnte ein Ergebnis anders ausfallen.
Die Express-S-Bahn zum Flughafen
Ohne zweite Stammstrecke keine Express-S-Bahn zum Flughafen: So lautete bisher die Position von Verkehrsminister Martin Zeil (FDP). Doch auch die wird nach einem Scheitern der zweiten Stammstrecke nochmals überdacht werden müssen. Für eine schnelle Flughafen-Anbindung per Express-S-Bahn kommt nur die Linie der S 8 im Münchner Osten in Frage, da auf der Trasse S 1 mit S-Bahnen sowie Regional- und Güterzügen bereits zu viel Verkehr herrscht. Gerade CSU und FDP im Landtag hatten zuletzt auf eine schnelle Realisierung der Express-S-Bahn gedrängt. Mit ihr soll die Fahrzeit vom Hauptbahnhof zum Flughafen von derzeit 40 Minuten um rund 10 Minuten verkürzt werden. Auch die Münchner CSU hält in ihrem Konzept an dem Vorhaben als schnell zu realisierende Maßnahme fest. Politisches Einverständnis besteht ohnehin weitgehend, dass eine Beschleunigung auf dem Weg zum Airport notwendig ist. Auch die Stadt könnte von dem Vorhaben profitieren: Wenn bei einem Ausbau der Trasse die Gleise zwischen Daglfing und Johanneskirchen in einen Tunnel verlegt werden. Denn gleich östlich der Siedlungsgebiete von Johanneskirchen und Daglfing soll ein großes Baugebiet entstehen, das ansonsten durch die Gleise von der Stadt getrennt wäre. Erst unlängst sprach sich der Stadtrat für den Tunnel aus. Die Kosten zwischen 490 und 550 Millionen Euro müsste die Stadt aber wohl selbst tragen.
Die Vision eines Nordtunnels
Auch der sogenannte Nordtunnel wurde schon einmal diskutiert, auch ihn hat die Staatsregierung schon einmal begutachtet – und ebenfalls abgelehnt. Die Idee stammt vom Verkehrsplanungsbüro Vieregg-Rössler, und Anhänger gibt es nicht nur in der CSU. Im Nordtunnel könnten S-Bahnen, Regional- und Fernzüge von der Hackerbrücke zu einem sechsgleisigen unterirdischen Halt am Hauptbahnhof fahren. Von dort biegt der sieben Kilometer lange Tunnel nach Norden ab – mit Haltestellen an den Pinakotheken und an der Münchner Freiheit. Von hier aus könnten auch Fernzüge zum Flughafen geleitet werden – entweder über Garching oder über die Trasse der S 8. Schnell umzusetzen ist das Projekt aber keineswegs. In der Landtagskoalition ist die Rede von 20 Jahren. Die Kosten dürften sich ebenfalls im Milliardenbereich bewegen, was eine Finanzierung nicht gerade wahrscheinlicher macht.
Matthias Kristlbauer