Schwieriges Bündnis

In der Initiative „S-4-Ausbau jetzt“ raufen sich Politiker fast aller Parteien mühsam zusammen – trotzdem erreichen sie nicht viel
Von Peter Bierl
Fürstenfeldbruck
– Der Unmut über den
versprochenen und immer wieder ver-
schobenenviergleisigenAusbauderüber-
lastetenFürstenfeldbruckerS-Bahnstre-
ckehatindiesemJahreinSprachrohrge-
funden. Im Sommer formierte sich ein
Bündnis aus Parteien, Umwelt- und
Fahrgastverbänden. Dessen Aktivisten
sammelten mehr als 8100 Unterschriften
für eine Petition, in der die Staatsregie-
rung aufgefordert wird, zur Ertüchti-
gung der S 4 „schnellstmöglich bauliche
Maßnahmen planen und realisieren zu
lassen“. Außerdem verlangten sie kurz-
fristige Maßnahmen wie zusätzliche und
längere Züge.
Doch schnell ging gar nichts. Die zum
J
ahresanfangversprocheneNutzen-Kos-
ten-Analyse für den viergleisigen Aus-
baupräsentiertedasFDP-geführteWirt-
schaftsministeriumerstamTagvorWeih-
nachten. Und auch zusätzliche Langzü-
ge, über die bereits im März diskutiert
worden war, gab es erst im Dezember in
geringemUmfang. VierZüge,von denen
drei aber nur am Freitagnachmittag ver-
kehren, bestehen seither aus drei statt
zwei Garnituren. Mehr ist nach Angaben
des Ministeriums vorerst nicht drin, weil
das Zugmodell schon nicht mehr produ-
ziert wird und die Bahn AG keine ge-
mischte Flotte einsetzen will, weil es mit
verschiedenen Systemen zu Schwierig-
keiten bei der Wartung und im Betrieb
kommen könnte. Vielleicht gibt der Ver-
kehrsverbund Rhein-Ruhr, der sich 2014
neue Modelle leistet, dann ein paar aus-
rangierte Garnituren nach Bayern ab.
Dass mit dem Ausbau nichts voran-
geht, liegtdaran, dassdie CSU/FDP-Ko-
alitionsowieder MünchnerOB Christian
Ude(SPD)zuersteinenzweitenBahntun-
nel in München bauen lassen wollen. Der
solltenachdenPlanungenderLandespo-
litiker bis zu den Olympischen Winter-
spielen 2018 fertig werden, danach, so
hießes,könnederAbschnittPasing-Fürs-
tenfeldbruck ausgebaut werden.
Das Internationale Olympische Komi-
tee entschied sich im Juli aber gegen die
Münchner Bewerbung und für die Kon-
kurrenz aus Südkorea – mit der Folge,
dass der Bund die erhofften Mittel für
das Projekt nicht locker machen will.
Seitdem gibt es eine Finanzierungs- und
Glaubwürdigkeitslückeundallerleiskur-
rile Vorschläge, etwa den, dass die Stadt
München und die Landkreise einsprin-
gen und die fehlenden Millionen vorfi-
nanzieren mögen.
Das  Aktionsbündnis  „S-4-Ausbau
jetzt“ hatte aufgrund der Querelen zwi-
schen Grünen und SPD um diese zweite
Röhre keinen leichten Start. Aus der
CSU beteiligten sich nur der Brucker
Ortsverband und OB Sepp Kellerer. Der
Eichenauer Bürgermeister Hubert Jung
(CSU)hieltsichzurück,undderKreisver-
band unter Führung des Landrats Tho-
mas Karmasin, der als Sprecher der
Landkreise im MVVfungiert, gingoffizi-
ell auf Distanz zu Aktionsbündnis und
Petition. Dagegen sparte Kellerer nicht
mit Kritik an der Staatsregierung, sein
StellvertreterHansSchillingistdereinzi-
genamhafteCSU-AktivistinderBürger-
initiative; er ließ sich auch nicht vom
grün-roten Knatsch entmutigen.
Den heizten der Verkehrsplaner Tho-
masKantkeundder Eisenbahningenieur
Stefan Baumgartner, der als Experte für
Leit- und Sicherheitstechnik am Bau des
Gotthard-Tunnels beteiligt war, kräftig
an, indem sie zwischen den Gemeinden
Eichenau und Gröbenzell eine Spange
für den Regionalverkehr vorschlugen,
was in Olching und vor allem in Gröben-
zell bei der SPD auf heftige Ablehnung
stieß. Bis August rauften sich die Kom-
munalpolitikerplusetlicheUmwelt-und
Verkehrsverbände doch noch zusammen
und sammelten von Mitte September bis
AnfangNovemberUnterschriften,wobei
viele  Pendler  aus  dem  Landsberger
Raum unterschrieben.
In Fürstenfeldbruck und in Puchheim
kämpftendieBehindertenbeirätefürden
barrierefreien Ausbau der S-Bahnhöfe.
In  Puchheim  wurden  dafür  rund
3000 Unterschriften gesammelt. Sowohl
in Puchheim als auch in der Buchenau
werden die Bürger seit Jahrzehnten mit
dem Hinweis auf den viergleisigen Aus-
bau abgespeist. Dabei wäre wohl jedes
Provisorium längst altersschwach, bevor
Politiker und Ministeriale für das Foto
beim ersten Spatenstich posieren.
Süddeutsche Zeitung, 27.12.11

Weitere Informationen

Suche

in

Neueste Kommentare